60 Jahre seit dem Tod von Mathias Huber
Erinnerung an den Erbauer der Banatia |
Nach der Einschätzung etlicher Fachleute hat der Temeswarer Architekt Matthias Hubert mit dem Prachtbau der Statthalterei, des damaligen Temescher Verwaltungspalais, in der Zwischenkriegszeit eines der imposantesten Bauwerke der Stadt entworfen und erbaut. Es wurde dann auch im Kommunismus Sitz des Kreisparteikomitees und ist nach der Wende bis zum heutigen Tag Sitz der Präfektur und des Temescher Kreisrates geblieben. Der begnadete Architekt erbaute ab 1924 in der Begastadt mehrere wertvolle Bauten für Institutionen oder Privatleute, die auch heute noch zu den architektonischen Glanzstücken der Stadt gezählt werden.
Matthias (oder Mathias) Hubert wurde 1892 in Großscham, damals Königreich Ungarn, heute an der rumänisch-serbischen Staatsgrenze, als Sohn der Banater Schwaben Mathias Hubert und Theresia Haupt geboren. Seine Eltern waren fleißige und aufgeschlossene Kleinbauern. Sie unterstützten den schon als Kind strebsamen Sohn in seinem im Dorfmilieu erstaunlichen Lerndrang: Es war eine Ausnahme für Dorfkinder jener Zeit, doch er sollte studieren, und so besuchte er das Staatsobergymnasium in Werschetz (heute Vrsac in Serbien). Nach dem Abitur 1911 folgte ein Studium an der Prinz-Eugen-Kunstschule von Budapest. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, unterbrach er sein Studium, weil er an die Front musste. Er erreichte den Dienstgrad des Leutnants des 7. Honvédregimentes in Werschetz. Er wurde mehrmals verwundet und geriet in russische Kriegsgefangenschaft. Mit seinen Verletzungen hatte er Glück im Unglück, der Arzt Dr. Grassl rettete ihn durch eine Operation. Zwar sollte er bis zu seinem Lebensende hinken, aber er kam in einen Austauschtransport von Gefangenen. Nach einer wahren Odysee gelangte er wieder nach Budapest.
Hier setzte er sein Studium erfolgreich fort. 1915-1918 studierte er Architektur an der Joseph-Akademie. Als Mitglied einer banatschwäbischen Studentengruppe in der Hauptstadt Budapest setzte er sich entschieden gegen die Madjarisierungsaktionen des damaligen Regimes ein, die vor allem die Banater Schwaben in der Heimat stark betrafen.
Nach Abschluss seiner Promotion im Jahr 1918 hielt er u.a. in den Banater deutschen Dörfern kulturelle Vorträge, so auch über Adam Müller-Guttenbrunn. Nach der Heirat mit Magdalene Koch aus Morawitza zog das junge Paar nach Temeswar. Aus dieser Ehe stammen die Töchter Adelheid und Hedwig. Hubert kaufte ein Haus in der damaligen Bischofsallee, einer der Hauptstraßen der Elisabethstadt (heute Mihai-Viteazul-Boulevard). Hier lebte er bis zu seinem Tode.
![]() Deutsche Ackerbauschule in Wojteg: heute und damals |
Bereits vor dem Krieg wurde als eine der ersten Großbauten der Innenstadt das Ciobanu-Palais errichtet, ein prachtvolles dreistöckiges Eckhaus mit Mansarde gegenüber dem heutigen Continental-Hotel. Das Gebäude wurde 1924-1926 nach dem Abriss der Festungsmauern auf dem frei gewordenen Gelände nach Plänen von Matthias Hubert und dem bekannten Stadtarchitekten Laszló Székely erbaut. Es weist klare Elemente des Barocks und des Jugendstils auf und gilt als eine der letzten Jugendstil-Bauten der Stadt. Das Gebäude, als Familienhaus gedacht, trägt den Namen seines ersten Eigentümers, des bekannten Rechtsanwalts und Politikers Pompiliu Ciobanu. An der Fassade fallen zwei Skulpturen auf, die ein rumänisches Hirtenpaar darstellen. Die Werke des Bildhauers Ferdinand Gallas wurden auf ausdrücklichen Wunsch des Eigentümers angefertigt. Heute befindet sich das Gebäude im Besitz des Schriftstellers Radu Ciobanu, eines Enkels des Bauherrn.
1926 übergab Architekt Hubert ein anderes bedeutendes Bauwerk seiner Bestimmung: die "Banatia", die als größte deutschsprachige Bildungsstätte Südosteuropas gebaut wurde und mehrere Lehranstalten unter ihrem Dach vereinigte. Heute ist das Gebäude Sitz der Universität für Medizin und Pharmazie "Victor Babes".
Im Jahr 1938 wurde nach Huberts Plänen das Gebäude der ehemaligen Statthalterei, der heutigen Präfektur und des Temescher Kreisrats erbaut. Die Pläne wurden auch von den Architekten V. Vlad und C. Liuba unterzeichnet. Es wurde, wie geplant, ein Prachtbau in neoklassizistischem Baustil, mit großzügigen Mitteln aus dem Staatsbudget. Anfänglich als Schulgebäude geplant, gilt es als das künstlerisch schönste Bauwerk des Architekten.
Zu Huberts Werken, die heute restauriert und in gutem Zustand sind, gehört auch das imposante Gebäude des ehemaligen Banater Schwäbischen Bankvereins (1928) unmittelbar neben der Oper bzw. dem Nationaltheater. Es war der erste Hochbau in der Stadt Temeswar mit fünf Stockwerken und einem Fundament, das bis in sechs Meter Tiefe reichte. Heute beherbergt es das modern und kostspielig ausgestattete Hotel "Timisoara". Andere Werke des Architekten Huber sind das damalige "Deutsche Haus", heute als CFR-Haus bekannt, sowie der im Banat einmalige Baukomplex der Deutschen Ackerbauschule in Wojteg. Dazu kommen zahlreiche Villen und stattliche Privathäuser in der Stadt.
Der hochgeschätzte Architekt hatte auch ein Hobby. Laut den Erinnerungen seiner Familie und seiner zahlreichen Freunde malte Matthias Hubert gerne in seiner Freizeit. Den Großteil seiner Ölbilder in klassischem Stil verschenkte er an Verwandte und Freunde. Er starb in Temeswar am 29. Januar 1964.
Seine Tochter Adelheid erinnerte sich an ihren Vater, der für lustige, aber auch scharfe Antworten bekannt war. Für den Band "Temeschburg, Temeswar, Timisoara", der 1994 erschien, erzählte sie eine Anekdote, die sich beim Bau des Sitzes des Banater Bankvereins zugetragen haben soll:
Während das Gebäude des Banater Bankvereins mit seiner schwäbischen Fassade im Bau war, erschien der Architekt Matthias Hubert täglich auf der Baustelle. Er kletterte gar mit seinem hinkenden Fuß auf das Baugerüst. Einem Meister gefiel das gar nicht. Der wollte wissen: "Herr Hubert, warum steigen Sie jeden Tag auf dieses gefährliche Gerüst? Glauben Sie denn, wir verstehen unser Handwerk nicht?" Der Architekt gab sofort eine forsche Antwort: "Na ja, zu euch Jahrmarktern hab ich schon Vertrauen, aber zu mir nicht! Ich weiß nämlich noch immer nicht, ob es sich in dem, was ich da entworfen hab, auch wohnen lässt!"
Balthasar Waitz